Support für den Geist

Lena sitzt an ihrer Bioarbeit. Mit Lippenblütlern kennt sie sich gut aus. Als der Pausengong ertönt, hat sie zwei der fünf Aufgaben geschafft. Nur diese zwei fließen in die Bewertung des Leistungstests ein. Das liegt am Nachteilsausgleich. Denn Lena hat das Down-Syndrom. Sie besucht zusammen mit drei anderen Kindern mit besonderem Betreuungsbedarf die Kombinationsklasse an einer Regelschule. »Kombinationsklasse«, das heißt: »Normale« Kinder und solche mit Beeinträchtigungen sitzen zusammen in einer Klasse. Im Idealfall lernen sie voneinander. Lena zum Beispiel ist zwar etwas langsamer als die anderen Kinder und lernt nur sehr schwer Lesen und Schreiben, arbeitet dafür aber präziser. Sie ist in der Klasse beliebt, auch wegen ihres ausgleichenden sozialen Wesens, das die Lehrkräfte gern auch mal zur Konfliktbefriedung einsetzen. Mit an Bord in der Klasse: Zwei Förderlehrer und zwei Integrationsassistenten. Wann immer dies nötig ist, hilft eine der Assistentinnen Lena bei der Kommunikation mit Mitschülern und Lehrern. Sie hilft auch beim Anziehen nach dem Sportunterricht und ist einfach da, wenn Lena sie braucht.

Nicht alle Schüler sind so gut angekommen wie Lena. Zwei Reihen hinter ihr sitzt Henry. Immer wieder bewegt der 10-Jährige seinen Oberkörper vor und zurück und schlägt sich mit der Hand an den Kopf. Er ist aufgeregt, weil heute so gar nichts nach Plan lief. Das fing schon am Morgen an, als der Bus wegen des Glatteises auf den Straßen zu spät kam, und setzte sich fort mit der Nachricht, dass seine Klassenlehrerin heute durch eine Vertretung ersetzt wird. Für Lena und die anderen Kinder kein Problem, für Henry ein immenses. Henry ist  frühkindlicher Autist. Seine Sprachentwicklung ist verzögert, er benötigt Hilfe beim Gang zur Toilette und gerät auch bei vergleichsweise kleinen Veränderungen seiner Umwelt und gewohnten Abläufe schnell in Panik. So wie heute. Manchmal – zum Beispiel, wenn ihn die anderen mal wieder nicht verstehen – wird er aggressiv. Henry kann seine Wut dann weder unterdrücken noch dosieren. Dann ist die ganze Geistesgegenwart und körperliche Präsenz  seines Assistenten gefragt. Unter diesen Ausbrüchen leidet nicht nur seine Umwelt, sondern auch Henry selbst. Er ist nach solchen Vorfällen körperlich erschöpft und zutiefst unglücklich. Sein Assistent spricht jetzt langsam und beruhigend auf ihn ein. Lena kommt hinzu und hält Henrys Hand. Die beiden sind die einzigen in der Klasse, von denen er sich berühren lässt.  

Wir begleiten geistig und/oder mehrfach beeinträchtigte Schüler in ihrem Klassenverband – sowohl an Regel- als auch an Förderschulen. Dabei unterstützen wir nicht nur bei allen innerschulischen Abläufen, sondern übernehmen u. a. auch die pflegerische Versorgung – von der Hilfe beim An- und Auskleiden über Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme bis hin zur Assistenz bei Toilettengängen und bei der Körperhygiene. Dabei arbeiten unsere Mitarbeiter mit verschiedensten beeinträchtigungsspezifischen Hilfsmitteln wie z. B. Rollstühlen, Geh- und Stehhilfen (Walker), elektronischen Kommunikationshilfen (Talker), Visualisierungsinstrumenten wie Bild- und Symbolkarten, Hilfen zur zeitlichen Organisation (z. B. Time Timer) sowie dem Gebärden von Schlüsselbegriffen.