Nicht von schlechten Eltern

»Das gibt’s doch gar nicht!« Ines Rössling legt Wert auf Ordnung in ihrem Haushalt, aber heute kann sie die Sandförmchen partout nicht finden. Dabei spielt Henrike mit denen auf dem Spielplatz zurzeit am allerliebsten. Auch Henrike schüttelt auf die Frage ihrer Mutter, ob sie sich wirklich nicht erinnern könne, wo sie sie zuletzt gesehen habe, den blonden Lockenkopf. Endlich hat Frau Rössling sie doch noch hinter der großen Lego-Kiste entdeckt. Dann packt sie noch einen Ball, eine Dose in Spältchen geschnittener Äpfel, Taschentücher und eine Trinkflasche in die blaue Umhängetasche. Wenn gleich Frau Peters kommt, soll alles bereitliegen. Frau Peters ist die Elternassistentin der Rösslings. Da die Mutter des 4-jährigen Mädchens ebenso wie sein berufstätiger Vater im Rollstuhl sitzt, benötigt die Familie im Erziehungsalltag bei einigen Dingen Unterstützung. Zum Beispiel jetzt, wenn es auf den – leider nicht berollbaren – Spielplatz um die Ecke geht. Manchmal steigt Henrike dort auch auf ein Klettergerüst und stellt oben fest, dass rauf irgendwie leichter ging als wieder runter. Auch für solche Situationen ist es gut, auf Frau Peters zählen zu können. Sie begleitet Henrike außerdem zum Sportverein und ins Schwimmbad und geht Frau Rössling bei der Körperpflege des Kindes zur Hand. Zahnpflege zum Beispiel kann Henrike zwar schon ganz gut allein, aber fürs Nachputzen und die Zahnseide ist es gut, die Elternassistentin zu haben. Wenn Frau Rössling während der betreuungsfreien Zeit in Henrikes Kinderladen Termine beim Arzt oder Physiotherapeuten hat und auch Henrikes Großeltern nicht einspringen können, betreut Frau Peters ebenfalls das aufgeweckte Kind. Beide kommen gut miteinander zurecht, aber gerade weil das so ist, legt Frau Peters auf eines besonderen Wert: Sie will keinesfalls »die bessere Mutter« Henrikes sein und hält sich aus ihrer Erziehung heraus. So oft wie sich Henrike und Frau Peters sehen, ist das aber natürlich eine Gratwanderung. Doch Frau Peters balanciert ganz gut.

Im Rahmen unserer Elternassistenz unterstützen wir Eltern mit Beeinträchtigungen bei der selbstbestimmten Alltagsgestaltung. Die Größenordnung unserer Assistenz ist individuell auf den jeweiligen Einzelfall abgestimmt und richtet sich unter anderem nach Art und Umfang der Einschränkungen, den im Haushalt der Eltern vorhandenen technischen Ressourcen und der familiären Situation mit ihren Betreuungsmöglichkeiten. Mit Blick auf das Wohl des Kindes gleichen wir handicapbedingte Nachteile aus, während die vollständige Verantwortung für alle erzieherischen Aspekte weiterhin allein bei den Eltern des Kindes liegt. Die Eltern wählen aus, auf welchen Feldern sie Hilfe möchten. Der Fokus unserer Elternassistenz liegt gleichwohl ausschließlich auf deren Unterstützung bei der Inanspruchnahme ihres Menschenrechts auf Elternschaft. Sie ersetzt und beinhaltet nicht andere Leistungen wie die Persönliche Assistenz oder die Haushaltshilfe.